Kinderdemenz: Defekten Ionenkanälen auf der Spur

28.06.2016

Der LMU-Pharmakologe Christian Grimm erforscht im Rahmen einer neuen Studie Ursachen und mögliche neue Therapien der Kinderdemenz. Für dieses Projekt wurde er mit dem diesjährigen NCL-Forschungspreis ausgezeichnet.

Mithilfe einer modifizierten Patch-Clamp-Technik zur Messung von Lysosomen soll das Protein CLN3 genauer charakterisiert werden. (Foto: sciencedisplay / fotolia.com)

Die Neuronale Ceroid Lipofuszinose – kurz NCL – ist die häufigste Form der Kinderdemenz. Die bisher unheilbare erbliche Stoffwechselkrankheit tritt bei etwa einem von 30.000 Neugeborenen auf und gehört zu den sogenannten lysosomalen Speicherkrankheiten, die auf Fehlfunktionen bestimmter Zellorganellen – der Lysosomen – beruhen. Es gibt mehrere Formen der Krankheit, die durch Defekte in unterschiedlichen lysosomalen Proteinen ausgelöst werden, deren Funktion teilweise noch völlig unbekannt ist. Der LMU-Pharmakologe Christian Grimm will dieses Rätsel nun für das Protein CLN3 lösen. Grimm gehört zu den europaweit führenden Experten für die Untersuchung von Stoffwechselprozessen in Lysosomen mithilfe der Patch-Clamp-Technik. Aufgrund dieser Expertise wurde Grimm von der NCL-Stiftung für sein Projekt zur Aufklärung der CLN3-Funktion mit dem NCL-Forschungspreis ausgezeichnet. Ziel dieses Preises ist es, die Erforschung der juvenilen NCL voranzutreiben und viel versprechende innovative Projekte zu unterstützen.

Die häufigste NCL-auslösende Mutation beim Menschen betrifft das CLN3-Protein. Sie ist verantwortlich für die sogenannte juvenile NCL, die im Grundschulalter ausbricht und – wie alle NCL-Formen – immer zum Tod führt, da bei den Betroffenen die Nervenzellen absterben. CLN3 kommt in der Membran von Lysosomen vor. Lysosomen sind die kleinsten Zellorganellen und hauptsächlich für den Abbau von Biomolekülen zuständig. Welche Funktion CLN3 in der Lysosomen-Membran hat, ist bis heute unbekannt. „Es gibt Hinweise, dass CLN3 als Ionenkanal oder Calcium-Transporter wirkt“, sagt Grimm. „Wir sind in Europa die einzigen, die Ionenkanäle im endolysosomalen System mit Patch-Clamp untersuchen können und wollen nun mithilfe dieser Technik CLN3 genauer charakterisieren.“

Die Patch-Clamp-Technik bietet die einzigartige Möglichkeit, das elektrische Verhalten von CLN3-Proteinen einzelner Lysosomen zu beobachten. Dabei saugen die Forscher einen kleinen Membranbereich mit einer Mikropipette leicht an. Mit einer Mikroelektrode legen sie anschließend eine Prüfspannung an und schicken einen Strom durch die Saugelektrode. Auf diese Weise lässt sich der Stromfluss für einzelne Ionenkanäle messen, um festzustellen, ob der Kanal aktiv oder inaktiv ist. Die Wissenschaftler planen, mithilfe dieser Technik nachzuweisen, dass CLN3 tatsächlich ein Ionenkanal ist. Außerdem wollen sie Moleküle identifizieren, die das Protein aktivieren oder deaktivieren. „Mit Patch-Clamp allein gleicht das allerdings der Suche nach der Stecknadel in einem Heuhaufen, deshalb werden wir zusätzlich ein Screeningverfahren einsetzen“, sagt Grimm. „Wenn wir eine solche Substanz finden, kann man diese wieder im Patch-Clamp einsetzen und die CLN3-Reaktion im Detail untersuchen.“

Ein weiteres wichtiges Ziel der Wissenschaftler ist die Entwicklung neuer Wirkstoffe für die NCL-Therapie. „Oft ist CLN3 im Patienten komplett zerstört“, sagt Grimm. „Deshalb könnte es ein vielversprechender therapeutischer Ansatz sein, Substanzen zu finden, die die Funktion von CLN3 übernehmen und das defekte Protein ersetzen. Kandidaten dafür gibt es bereits, und wir hoffen, die Erkenntnisse auf diesem Gebiet mit unseren Arbeiten weiter voranzubringen.“