Programmierbare Nanoroboter aus DNA
23.10.2025
LMU-Forschende haben winzige Roboter aus gefalteten DNA-Molekülen entwickelt, die abhängig von verschiedenen Umweltreizen wie Licht oder Enzyme agieren können.
23.10.2025
LMU-Forschende haben winzige Roboter aus gefalteten DNA-Molekülen entwickelt, die abhängig von verschiedenen Umweltreizen wie Licht oder Enzyme agieren können.
Es ist die Vision der Nanotechnologie: winzig kleine Roboter, die im menschlichen Körper gezielt Aufgaben verrichten, etwa Wirkstoffe liefern oder defekte Zellen reparieren. Solche programmierbaren Nanosysteme könnten den Grundstein für intelligente molekulare Maschinen legen – vom Arzneimitteltransport bis zur molekularen Datenverarbeitung. Doch der Weg dorthin ist lang. Einem Team um Professor Philip Tinnefeld, Leiter der Arbeitsgruppe NanoBioSciences an der Fakultät für Chemie und Pharmazie der LMU und Mitglied im Exzellenzcluster BioSysteM, ist nun ein wichtiger Schritt gelungen. Mit der sogenannten DNA-Origami-Methode haben die Forschenden ein Robotersystem aus DNA-Molekülen entwickelt, das sich erstmals ähnlich wie ein Computerchip programmieren lässt. Auch neu: Die dafür notwendige Energie kommt dabei nicht von außen, sondern ist in molekularen Spannungen innerhalb der DNA-Struktur gespeichert.
Das sogenannte DNA-Origami gilt seit einigen Jahren als Schlüsseltechnologie, um molekulare Maschinen zu bauen. Dabei wird ein langer DNA-Strang mithilfe vieler kurzer Hilfsstränge in eine genau definierte dreidimensionale Form gefaltet. Auf diese Weise lassen sich Strukturen im Nanometermaßstab konstruieren, die sich unter bestimmten Bedingungen verformen – etwa öffnen, schließen oder drehen. „Das sind Systeme, die mit der Umwelt interagieren, indem sie auf bestimmte Reize reagieren, sei es Licht, Temperatur, pH-Wert oder ein Enzym“, erklärt Tinnefeld. Erreichen die Inputs einen bestimmten Schwellenwert, führt der Nanoroboter eine Handlung aus: „Er gibt dann zum Beispiel ein Molekül ab, das mit einer Zelle interagiert, sie vielleicht abtötet, weil sie krank ist. Oder er entlässt einen Erbgutstrang, der die Genexpression der Zelle verändert und sie in eine gesunde Richtung lenkt“, erläutert Tinnefeld.
Der Großteil der bisherigen Ansätze funktioniert aber nach einem simplen Ein-Aus-Prinzip: Ein einzelner Reiz verändert die Struktur der gefalteten DNA, und das war's. Die neue Erfindung namens SEPP („serial execution of programmable processes“) geht einen Schritt weiter. Sie kombiniert mehrere dieser kleinen Schalter zu einem Netzwerk. „Die Schalter sind Stellen im DNA-Origami, die unter bestimmten energetischen Bedingungen ‚umklappen‘ können“, sagt Tinnefeld. „Wir bauen jeweils ein ‚Schloss‘ an die Schalter, das diese zunächst blockiert. Die Schlösser bezeichnen dabei mögliche Interaktionen mit der Umgebung.“ Sie können zum Beispiel mit Nukleinsäuren, mit Antikörpern, Enzymen oder mit Licht wechselwirken. „Je nachdem, ob oder in welcher Menge ein Reiz vorhanden ist, wird das Schloss geöffnet und die zugehörige Struktur klappt um“, sagt Tinnefeld.
Tinnefeld vergleicht dieses Prinzip mit einem Rechner: „Die DNA-Struktur ist quasi die Hardware. Und die unterschiedlichen Schlösser, die bestimmen, wie der Roboter auf seine Umwelt reagiert, bilden die Software.“ Den Forschenden gelang es sogar, eine Zeitverzögerung in ihre Schalter einzubauen. Dadurch ist es möglich, die Reihenfolge und den Zeitpunkt der Aktionen festzulegen – wie bei einem Programm mit mehreren Befehlen. Ein mögliches Szenario: Wird zunächst ein bestimmtes Enzym aktiv und anschließend Licht einer speziellen Wellenlänge eingestrahlt, führt der Nanoroboter eine definierte Aktion aus. Er könnte beispielsweise anfangen, selbst zu leuchten, ein Molekül freizusetzen oder eine chemische Reaktion zu starten.
Die Energie für diese Abläufe stammt dabei nicht aus externen Quellen. Stattdessen ist sie in molekularen Spannungen gespeichert, die beim Zusammenbau des DNA-Origami entstehen. „Diese Spannung entlädt sich genau dann, wenn die Schlösser geöffnet werden“, sagt Tinnefeld. „Wir können das System im Vorfeld mit Energie beladen – ähnlich wie bei einem Aufziehauto.“ Diese Eigenschaft macht das Konzept besonders interessant für Anwendungen, bei denen die Roboter autonom agieren sollen: „Wenn er irgendwo im Körper unterwegs ist, dann hat er keine Energiequelle“, sagt Tinnefeld.
Schon jetzt arbeiten er und sein Team an einem Computing-System, das ganz ohne gespeicherte Energie auskommt: „Die Interaktionen des Nanoroboters selber liefern dabei schon ausreichend Energie für die Rechenprozesse“, erklärt Tinnefeld. Das Prinzip dahinter nennen Fachleute „Brownian DNA Computing“; es nutzt die zufällige thermische Bewegung (Brownsche Bewegung) von Molekülen, um Rechenvorgänge anzutreiben. „Im Exzellenzcluster BioSystemM, der im Januar 2026 startet, wollen wir solche Ansätze weiter erforschen“, sagt Tinnefeld. So könnte die Vision autonomer, intelligenter Nanoroboter Stück für Stück Realität werden.
Martina Pfeiffer et al.: Spring-loaded DNA origami arrays as energy-supplied hardware for modular nanorobots. Science Robotics 2025